Super League
Starke Achse des FCZ, YB-Motor läuft nicht rund, so eng war die Liga selten: Das sind die Erkenntnisse nach dem Spitzenkampf

Der FC Zürich besiegt die Young Boys mit 3:1. Er bringt Trainer Henriksen zum Lächeln. Zeigt auf, wie verwundbar YB ist. Und hält die Super League noch ein Weilchen spannend.

Dominic Wirth
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Deckel drauf, der Meister ist besiegt: Bledian Krasniqi feiert das 3:1 vor der Zürcher Südkurve.

Deckel drauf, der Meister ist besiegt: Bledian Krasniqi feiert das 3:1 vor der Zürcher Südkurve.

Bild: Keystone

Der FC Zürich ist nach dem 3:1 im Spitzenkampf neuer Leader. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse.

So eng war die Liga noch gar nie

Das Beste vorweg: Die Super League bleibt nach dem Zürcher Sieg gegen den Titelfavoriten noch ein Weilchen spannend. Mehr noch: So eng wie in diesem Jahr ging es in der Super League nach 15 Spielen noch nie zu. Zwischen Leader Zürich und dem viertplatzierten FC St. Gallen liegen nur drei Punkte. Das ist ein Novum. YB hat zwar ein Spiel weniger als die Konkurrenz ausgetragen - ein Sieg gegen Stade Lausanne-Ouchy Anfang Dezember würde die Berner wieder zum Leader machen, vier Punkte vor St. Gallen. Auch so bliebe der Abstand zwischen Rang 1 und 4 aber so eng wie noch nie zu diesem Zeitpunkt der Saison.

Der FC Zürich ist da, YB nicht wirklich

Es geht um viel an diesem Abend in Zürich, Erster gegen Zweiter, Spitzenkampf, 19'285 Zuschauer im Letzigrund, so viele wie noch nie in dieser Saison. Und es zeigt sich bald einmal, dass eine Mannschaft so richtig da ist. Und die andere nur ein bisschen. Die eine ist der FC Zürich. Die andere die Young Boys.

Eine ganze Reihe von Momenten versinnbildlichen das. Vor der Zürcher Führung leistet sich YB-Goalie Anthony Racioppi eine schludrige Spieleröffnung und sieht dann auch beim Schuss von Jonathan Okita schlecht aus. Beim 2:0 nach einem Eckball ist Nikola Katic entschlossener als sein Gegenspieler. Und schliesslich, tief in der Nachspielzeit, verheddert sich YB-Verteidiger Mohamed Camara beim Stand von 2:1, statt den Ball noch einmal in den Strafraum zu schicken. Der FC Zürich kontert zielstrebig - 3:1.

Zieht keinen guten Abend ein: YB-Goalie Racioppi.

Zieht keinen guten Abend ein: YB-Goalie Racioppi.

Bild: Freshfocus

So läuft das den ganzen Abend: Die Zürcher sind entschlossener, sie wissen, was sie wollen – und was nicht. Den Ball zum Beispiel. Der ist öfter in den Reihen der Berner. Aber Gefahr strahlen doch eher die Gastgeber aus. Sie verteidigen solidarisch. Und wenn sich eine Gelegenheit bietet, packen sie zu – mal mit forschem Pressing in der gegnerischen Hälfte, mal mit einem schnörkellosen Konter.

Die Zürcher Achse kann einiges tragen

Erst ein Mal in dieser Saison, beim 0:2 gegen Servette Anfang Monat, hat der FC Zürich verloren. Mit 13 Gegentoren stellt er die beste Defensive der Liga. Er steht nicht für Spektakel, aber für Solidität, und das hat er einer starken Achse zu verdanken.

Die beginnt hinten im Tor bei Yannick Brecher, dem Captain. Davor ist Nikola Katic der Fels im Herzen der funktionierenden Dreierkette. Im Mittelfeld hat sich mit Cheick Condé und Ifeanyi Mathew ein wunderbares Duo gefunden, es ist zweikampf- und laufstark, hält das Zürcher Spiel zusammen und taktet es. Im Sturm schliesslich steht Jonathan Okita schon bei acht Toren – und damit bei einem mehr als in der ganzen letzten Saison.

Cheick Condé ist Teil eines wunderbaren FCZ-Mittelfeldduos.

Cheick Condé ist Teil eines wunderbaren FCZ-Mittelfeldduos.

Bild: Freshfocus

Das klingt alles gut, und das ist es auch, doch es bleiben ein paar Fragen. Zuallererst die, was passiert, wenn mal einer aus dem Mittelfeld-Duo ausfällt. Das blieb den Zürchern bisher erspart, Condé und Mathew starteten jedes Spiel gemeinsam. Ewig wird das nicht so bleiben. Und dann kommt die Zürcher Offensive doch etwas leichtbrüstig daher. Der klassische Torjäger fehlt. Daniel Afriyie ist zwar emsig, hat aber nach 14 Spielen erst zwei Tore erzielt. Reicht das, um langfristig mit YB mitzuhalten?

Bo Henriksen lächelt schelmisch

Der Däne Bo Henriksen ist jetzt etwas mehr als ein Jahr Trainer des FC Zürich. Er hat den Klub übernommen, als er Meister war und zugleich Tabellenletzter. Henriksen hat die Zürcher dann zuerst stabilisiert – und sie jetzt in ein Team verwandelt, das Spitzenkämpfe gegen YB gewinnt. Es war im fünften Anlauf der erste Sieg für den Dänen gegen den Meister. Verloren hat er noch nie.

Hat den FCZ verwandelt: Bo Henriksen.

Hat den FCZ verwandelt: Bo Henriksen.

Bild: Freshfocus

Am Samstagabend, nach dem 3:1 gegen YB, wird der 48-Jährige gefragt, wie die Zürcher Verwandlung möglich geworden ist. Er antwortet dann nicht richtig auf die Frage, sondern schaut lieber ein wenig in die Zukunft. Man nehme natürlich weiterhin Spiel um Spiel. Aber man habe heute gesehen, dass der FCZ mit dem Meister mitspielen, vielleicht sogar besser sein könne, fügt Henriksen noch an. Und lächelt schelmisch.

Der YB-Motor läuft noch nicht rund

Klar, der Meister ist voll im Titelrennen, nach Verlustpunkten ist er sogar weiterhin Leader, weil er ein Spiel weniger ausgetragen hat als der FC Zürich. Und doch bleibt nach dem Spitzenkampf ein zwiespältiger Eindruck.

Die Berner sind gegen den FCZ in der Defensive anfällig, ganz generell fahrig und im Spiel nach vorne ohne Zielstrebigkeit und Präzision, harmlos gar. Als sie in der Schlussphase 1:2 zurückliegen, gelingt ihnen kein einziger gefährlicher Abschluss, in der neunminütigen Nachspielzeit nicht – und vorher genauso wenig. Nach dem Spiel sagt Trainer Raphael Wicky, man habe eigentlich ein Zeichen setzen wollen. Das haben die Young Boys schon gemacht, nur nicht so, wie sie das geplant hatten. Sie kommen an diesem Abend verwundbar daher, und das ist diese Saison beileibe nicht zum ersten Mal so.

YB-Trainer Raphael Wicky: Der Motor stottert.

YB-Trainer Raphael Wicky: Der Motor stottert.

Bild: Freshfocus

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Blick auf die Statistik der erwartbaren Tore. Hier liegen die Berner laut Daten von Wyscout nur auf Platz sieben der Super League. Statistisch gesehen haben sie demnach Situationen kreiert, um 20 Tore zu erzielen. Tatsächlich sind ihnen schon 32 gelungen. Sie machen also aus wenig viel, was für ihre Qualität spricht. Doch wie lange können sie das durchhalten?

Natürlich bleiben die Young Boys trotz allem der grosse Favorit auf den Meistertitel. Ihr Kader ist besser und tiefer als jedes andere, und dann spielen sie ja gerade auch noch in der Champions League mit, diesem Wettbewerb, der so kräftig strahlt, dass er viel Energie und Konzentration absorbiert. Die Berner haben noch genug Zeit, ihre Übermacht auszuspielen. Wie sagte es Verteidiger Loris Benito nach dem Spiel in Zürich: Eine Saison ist ein Marathon, kein Sprint. Doch steigern muss sich der Meister auf jeden Fall.