Der Meister erleidet zum Saisonauftakt einen Kollaps: Der FC Zürich verliert auswärts gegen die Young Boys 0:4
Zum Auftakt der Schweizer Fussballmeisterschaft siegt der alte Meister daheim gegen den neuen Meister: Vier verschiedene Torschützen verhelfen YB zum 4:0-Sieg gegen den FC Zürich.
Der Schlüsselmoment: Der FCZ-Spieler Antonio Marchesano schiesst in der 54. Minute den Handspenalty über das YB-Tor.
Manchmal braucht ein zu blockierter Match eine Erweckung, ein Zufallstor – oder ein Handspiel im Strafraum, das erst der Videoschiedsrichter als solches erkennt. Dem YB-Spieler Vincent Sierro fliegt der Ball an die Hand, das ist auf den Fernsehbildern zu erkennen. Doch absichtliches Handspiel? Über solche Szenen wird wohl auch in zehn Jahren noch diskutiert werden. Dass Sierro danach noch verwarnt wird, ist der Witz im Regelwerk.
Da hat der FC Zürich die Möglichkeit, dem Gegner in dessen Stadion noch mehr zuzusetzen. Er spielt überraschend gut. Etwas mehr als 50 Minuten sind vorüber, immer noch 0:0. Handelfmeter für den Schweizer Meister. Der Weckruf scheint nahe zu sein. Antonio Marchesano, der in der letzten Saison 5 von 6 Penaltys verwertet hat, läuft schleppend an – und schiesst den Ball deutlich über das Tor. Hätte er getroffen, würde man jetzt wohl seinen lässigen Anlauf loben. Vielleicht wäre auch das Resultat andersherum. Das ist auch beiden Trainern klar. Der Penalty ist der Schlüsselmoment.
Es kommt anders, eine wuchtige Welle schwappt durch die Arena, da ist plötzlich viel Lärm. Es ist, als würden die bis zu diesem Zeitpunkt leidenden Berner und ihr zaghaftes Publikum das Missgeschick des Gegners als Aufputschmittel brauchen. Wenige Minuten vergehen, und da scheint der FC Zürich wie aus dem Nichts auseinanderzubrechen.
Christian Fassnacht trifft nach etwas mehr als einer Stunde zum 1:0, und der Rest ist nur noch für die Galerie. So sehr der zuvor gefestigte FCZ ins Wanken gerät, so sehr gewinnt YB Wucht und Durchsetzungskraft. Cedric Itten schiesst nach einer feinen Einzelleistung im Strafraum das 2:0 und präsentiert sich danach vor der YB-Fankurve in seiner ganzen körperlichen Grösse. Fabian Rieder erzielt das 3:0, und am Ende ruft der über reichlich Verdrängung verfügende Wilfried Kanga in Erinnerung, dass auch er im Offensiv-Überangebot der Berner seinen Platz beansprucht.
Jean-Pierre Nsame, der Torschützenkönig 2020 und 2021, kommt nur wenige Minuten zum Einsatz. Das zeigt, wie breit sich YB aufstellt. Das Kader kann gross sein, Spardruck scheint im Moment keiner zu herrschen. Am Samstag wird auch noch der Zuzug Kevin Rüeggs bekannt.
Beide Seiten sollten das Resultat nicht überbewerten. YB ist an diesem heissen Abend nicht so gut und der FCZ nicht so schlecht. Der Meister reist schon am Sonntag nach Aserbaidschan, wo er am Dienstag in der Qualifikation zur Champions League im Hinspiel auf Karabach trifft.
Der Trainer Franco Foda weiss, dass dort nicht sein kann, was in Bern in den letzten 30 Minuten gewesen ist. Das äussert er nach dem Match mit deutlichen Worten. Doch die Zürcher können sich an anderem festhalten. Trotz 0:4. Ein bedrohlicher Systemausfall ist im Wankdorf jedenfalls nicht zu sehen. Eher ein temporärer Kollaps.
Young Boys - Zürich 4:0 (0:0)
31 120 Zuschauer (ausverkauft). - SR Schärer. - Tore: 62. Fassnacht (Garcia) 1:0. 77. Itten (Niasse) 2:0. 81. Rieder (Kanga) 3:0. 85. Kanga (Fassnacht) 4:0.
Young Boys: Von Ballmoos; Blum (63. Jankewitz), Lustenbberger, Zesiger, Garcia; Fassnacht, Niasse, Sierro (63. Moumi Ngamaleu), Rieder (89. Ugrinic); Elia (63. Itten), Kanga (89. Nsame).
Zürich: Brecher; Kamberi, Kryeziu, Aliti (72. Okita); Conde (72. Hornschuh); Boranijasevic, Krasniqi (72. Rohner), Conde, Guerrero; Marchesano (83. Seiler); Tosin, Gnonto (84. Santini).
Bemerkungen: Young Boys ohne Maceiras, Lauper und Zbinden (alle verletzt). Zürich ohne Omeragic (verletzt). 55. Marchesano schiesst Handspenalty über das Tor. Verwarnungen: 3. Zesiger (Foul), 37. Garcia (Foul), 37. Elia (Foul), 50. Gnonto (Foul), 54. Sierro (Hands), 61. Kamberi (Reklamieren), 73. Rohner (Foul).
